Lundenburg
Tschechischer Name: Břeclav
Fläche: 3.949 ha
Einwohner 1910: 11.380 in 1.294 Häusern (4.992 dt. Ew.), 1930: 13.689 Ew. in 1.983 Häusern (1.582 dt. Ew.), 2010: 24.164.
heutiger Verwaltungsbezirk: Bezirkshauptstadt des Okres Břeclav (Bezirk Lundenburg).
Matriken: seit 1686
Grundbücher: seit 1625
Lage:
Lundenburg (Břeclav) liegt an der Thaya und nahe an der tschechisch-österreichischen Grenze in ca. 160 m Höhe.
Geschichte:
Bei ersten Ausgrabungen wurden Spuren einer neolithischen Besiedlung um 8.000 bis 6.000 vor Christus gefunden. Seit der Bronzezeit (ca. 2.000 v. Chr.) lässt sich eine kontinuierliche Besiedlung nachweisen. Um 400 v. Chr. kam es zu Einflüssen aus der keltischen Kultur. Weitere Funde weisen auf eine germanische Besiedlung im 2. und 3. Jh. n. Chr. sowie auf die Existenz eines Römerlagers in der Nähe hin. Im 6. Jh. n. Chr. kam es zu einer slawischen Besiedlung des Gebiets, im 8. Jh. zur christlichen Missionierung. Zur Zeit des Großmährischen Reiches wurde in Pohansko eine große Befestigungsanlage erbaut.
Die Gründung der neuen Ansiedlung danach erfolgte vermutlich um 1030. 1041 ließ Fürst Břetislav I. den südmährischen Besiedlungsraum zur Grenzregion ausbauen.
Bereits im Jahr 1046 wurde „Bretyzlawe“ als Grenzfestung genannt, die Burg wurde 1056 als „Lauentenburch“ urkundlich erwähnt.
Von 1222 bis 1226 war Lundenburg in Besitz von Königin Konstanze von Ungarn ( Gemahlin von Ottokar I. Přemysl). Sie ließ 1230 die hölzerne Burgbefestigung durch eine gemauerte Burg ersetzen. Den Kern der neuen Burg bildeten der Wohnturm und der Wehrgraben bei der Staré Dyje (Alten Thaya) zum Schutz gegen das damals noch babenbergische Herzogtum Österreich. Auf der durch den Wehrgraben entstandenen Insel bildete sich ein Handwerkszentrum.
1384 kamen „Veste und Herrschaft Lunthenburch“ durch Markgraf Jobst von Mähren an die Familie Liechtenstein. 1419 bestätigte König Wenzel IV. der Familie Liechtenstein das Lehen auf Lundenburg. Die Ansiedlung bei der Burg wurde während der Hussitenkriege im 15. Jahrhundert zerstört, aber 1470 neu gegründet. Zuerst hieß die Neugründung „Neu-Lundenburg“, wobei später der Zusatz „Neu“ wegfiel.
Schon ab 1526 erhielt der Ort Marktrechte, welche 1721 bestätigt wurden. 1528 gelangte der Ort an die Herrschaft Žerotín. 1574 wurde die große jüdische Gemeinde Lundenburgs durch einen Pogrom vernichtet. Kaiser Maximilian II. nahm die Gemeinde später unter seinen Schutz. Von Truppen des ungarischen Prinzen Stephan Bocskai wurde Lundenburg 1605 geplündert. Im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) wurde die Stadt mehrmals stark in Mitleidenschaft gezogen. Schloss und Stadt wurde von kaiserlichen Truppen besetzt und niedergebrannt. Die evangelischen Žerotíner verloren die Herrschaft 1621 und der Ort kam 1638 wieder an die Liechtensteiner. 1643 zerstörten schwedische Truppen Teile der Stadt, so auch die Synagoge.
Die jüdische Gemeinde wurde zwanzig Jahre später unter dem Schutz von Prinz Karl Eusebius von Liechtenstein und seiner Frau Johanna Beatrix neu gegründet und die Synagoge wieder aufgebaut. 1702 zählte die Gemeinde 30 Familien, denen 1741 der Grund für einen Friedhof außerhalb des jüdischen Viertels genehmigt wurde. Die jüdischen Lundenburger erlangten 1868 vollständige Gleichberechtigung. Bei Volkszählungen bekannten sich bis zu 70% als deutsche Bürger.
Im Ersten Schlesischen Krieg zwischen Maria Theresia und Friedrich II. brannte die Stadt 1742 nieder.
1805 nahmen französische Truppen, kurz vor der Schlacht bei Austerlitz, die Stadt ein, die bis 1806 von diesen besetzt blieb. Zwei Choleraepidemien (1832 und 1866) kosteten vielen Lundenburgern das Leben.
Nach der Aufhebung der Patrimonialherrschaften 1848 und der darauffolgenden Schaffung politischer Verwaltungsbezirke gehörte Lundenburg zum Bezirk Göding (Hodonín) und war selbst Sitz des Bezirksgerichts.
Im 19. Jh. kam es zu einer massiven Industrialisierung. Die Nordbahn wurde bereits 1839 eröffnet.
Am 12. September 1872 wurde Lundenburg von Kaiser Franz Josef I. zur Stadt erhoben. Die Einwohnerzahlen verdreifachten sich bis 1890. Lundenburg war damals ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt, da sich die Strecke von hier aus teilte in Richtung Brünn (Brno) und Znaim (Znojmo). Ab 1901 führte zudem eine Lokalbahn nach Eisgrub (Lednice). In der Folge war Lundenburg ein wichtiger Verbindungsbahnhof zwischen Wien, Prag und Brünn und es kam zur Ansiedlung einiger Fabriken und zum Bau industrieller Anlagen.
Als Lundenburg nach 1918 zur, als ein Nachfolgestaat der Monarchie gegründeten, Tschechoslowakei kam, setzten verschiedene Maßnahmen ein, die zum Ziel hatten, den tschechischen Einfluss in der Stadt zu verstärken. Dabei spielte die wirtschaftliche und verkehrstechnische Bedeutung Lundenburgs eine große Rolle. So wurden etwa die Posten bei der Bahn mit der Zeit vorwiegend mit tschechischen Beamten besetzt. Insgesamt verließen ca. 3.500 deutsche Lundenburger zwischen 1921 und 1930 die Stadt, wobei viele von ihnen ins nahe Österreich auswanderten.
Als Lundenburg 1938 an den nationalsozialistischen „Reichsgau Niederdonau“ angegliedert wurde, waren neben politischen Regimegegnern vor allem die jüdischen Einwohner Lundenburgs bedroht. Sie wurden zunächst in der Stadt interniert und am 15. Oktober 1938 an die neue Grenze zur tschechoslowakischen Republik gebracht. Dort mussten sie bis 4. November unter freiem Himmel verbringen bis sie die Grenze passieren durften (die Tatsache, dass die meisten jüdische Deutsche waren, erschwerte ihnen den Grenzübertritt). Als 1939 die Tschechische Republik okkupiert und das „Protektorat Böhmen und Mähren“ eingerichtet worden war, wurden sie erneut von der Verfolgung des NS-Regimes eingeholt und, wie die anderen Juden aus dem Deutschen Reich, über Konzentrations- und Durchgangslager (Theresienstadt) in die Vernichtungslager im besetzten Polen deportiert. Unter den Opfern waren auch Angehörige der Familie Kuffner, wie Hedwig und Marianne, die 1942 bzw. 1943 in Auschwitz ermordet wurden. Das Vermögen der jüdischen Einwohner wurde zuvor vom Deutschen Reich eingezogen und die Geschäfte und Betriebe von „kommissarischen Leitern“ verwaltet bzw. „arisiert“.
Da aus dem alten Bezirk Nikolsburg (Mikulov) und den deutschsprachigen Teilen der alten Bezirke Auspitz (Hustopeče) und Göding (Hodonín) 1938 der neue Kreis Nikolsburg gegründet worden war, gehörte Lundenburg bis 1945 diesem Kreis an.
Am 20. November 1944 wurde Lundenburg von einem US-amerikanischen Flugzeugverband bombardiert. Zwei Bomben zerstörten Mittelschiff und Presbyterium der Stadtkirche. Bei diesem Angriff kamen 42 Personen ums Leben, 56 wurden verletzt. Viele wurden obdachlos. Im Frühjahr 1945 arbeitete die Bevölkerung an Verteidigungsstellungen in der Stadt. Hierbei wurden die Niederungen des March-Thaya-Dreiecks durch das Öffnen der Talsperren überschwemmt. Vom 4. bis 7. April fuhren Evakuierungszüge nach Niederösterreich und auch zu Fuß flohen einige Familien. Am 17. April 1945 wurde Lundenburg von der Sowjetarmee besetzt.
Vertreibung der deutschen Bevölkerung von Lundenburg 1945/46:
Von den 500 bis 600 Deutschen, die sich noch in der Stadt befanden, wurden die meisten in ein Internierungslager bei der Zuckerfabrik festgehalten. Einige Einwohner flohen in den Wirren der ersten Tage, doch die meisten blieben in der Stadt und wurden in Folge zu Arbeitsdiensten gezwungen. Anfang Juni 1945 wurde ein Teil der Deutschen über die Grenze nach Österreich getrieben, während die Restlichen in der Zeit von Februar bis März 1946 nach Westdeutschland abgeschoben wurden. 1950 lebten in Lundenburg noch 50 deutsche Personen, welche mit Tschechen oder Tschechinnen verheiratet waren und daher bleiben durften.
Zwischen den 1950er Jahren und 1989 war die Straßenverbindung von Lundenburg nach Hohenau a.d. March in Niederösterreich aufgrund der als „Eiserner Vorhang“ bezeichneten Grenze im „Kalten Krieg“ gesperrt. Nur der Eisenbahngrenzübergang blieb erhalten.
Zu Lundenburg gehören heute die Ortsteile Charvátská Nová Ves (Oberthemenau) und Poštorná (Unterthemenau) sowie die Ortslage Stará Břeclav (Altenmarkt).
Zu Zwentendorf in Niederösterreich besteht eine Städtepartnerschaft.
Wirtschaft und Infrastruktur:
Landwirtschaft: Angebaut wurden alle Getreidesorten, Zuckerrüben, Mais, Gemüse und Obst. Die Viehhaltung drückte sich um 1900 vor allem in den Zahlen von Rindern (1.212) und Schweinen (681) aus. Zum Gemeindegebiet zählten außerdem um 1900 973 ha Wald.
Gewerbe: Aufgrund des urbanen industriellen Aufschwungs im 19. Jh. kam es zur Gründung einer Vielzahl von Fabriken. Dazu gehörten eine Zuckerfabrik (Jakob und Hermann Kuffner), eine Zuckerraffinerie, eine Brauerei, eine Schnapsbrennerei, eine Mühle, eine Walzenmühle, vier Möbelfabriken, zwei Hutfabriken, zwei Malzfabriken, eine Färberei/Spinnerei, eine Molkerei und ein Betrieb für Fischverarbeitung.
Unter dem betriebenen Kleingewerbe gab es Fuhrunternehmer, Schmiede, Schlosser, Hafner und Gerber.
Einrichtungen: zwei Krankenhäuser, Waisenhaus, Altersheim, zwei Kindergärten, zwei Lichtspieltheater, Theater und Konzertsaal, Postamt, Elektrizitätswerk (1908), Bahnhof (1839), vier Hotels, Omnibuslinien, Ärzte, Tierärzte, viele Vereine (darunter Eislauf- und Ruderverein 1872 bzw. 1874), Frewillige Feuerwehr (1880, eine eigene Betriebsfeuerwehr gab es für die Kuffnersche Zuckerfabrik).
Schulen: Bereits zur Zeit Maria Theresias bestand eine Schule. Im 19. Jh. wurde in der Schule sowohl deutsch als auch tschechisch unterrichtet. 1845/46 wurde ein eigenes Schulhaus neben dem Pfarrhaus errichtet in welchem ebenfalls zweisprachig unterrichtet wurde. Daneben gab es eine deutsche Schule im Rathaus, eine deutsche Bürgerschule (neues Gebäude ab 1878), je eine fünfklassige Volksschule und eine dreiklassige Bürgerschule für Knaben und Mädchen, ein Privatgymnasium in der Kuffnerstraße ab 1897 (später Communalgymnasium, Kaiserin-Elisabeth-Kommunal-Obergymnasium, k.k. Kaiserin-Elisabeth-Staats-Obergymnasium, k.k. Kaiserin-Elisabeth-Staats-Realgymnasium, ab 1918 tschechisches Reform-Realgymnasium aus dem wiederum 1938 eine deutsche Oberschule wird), zweiklassige Frauengewerbeschule, Bürgerschule, Handelsschule, Müllereifachschule, Ingenieurschule, jüdische Volksschule und tschechische Bürgerschule.
Kulturerbe:
Pfarrkirche St. Wenzel: 1753 errichtet, mehrere Anbauten und Restaurierungen; älteste Grundmauern aus dem 11. Jh. (1131 auch urkundlich als St. Maria erwähnt), im 13. Jh. vergrößert, Umbau im 15. Jh., 1738 abgebrochen. Die neue Kirche wurde bei einem amerikanischem Bombenangriff am 20. 11. 1944 schwer zerstört und nach 1945 eingeebnet. 1992 bis 1995 wurde eine neue, dem hl. Wenzel geweihte, Kirche gebaut.
Pfarrhaus von 1909.
Schloss, Schlossruine: 1056 wird eine Wasserburg (Laventenburg) in den March-Auen genannt. Vom mittelalterlichen Bau ist fast nichts mehr erhalten. Der älteste Bauteil ist ein noch erhaltener Rundturm. Vom Renaissanceumbau des 16. Jh. stammen der quadratische viereckige Treppenturm; ein quadratischer, einst mit Ecktürmchen gekrönter nordöstlicher Turm sowie Reste einer Arkaden-Freitreppe. Eindrucksvoll sind die Laubengänge im 1. Stock der Renaissanceflügel. Ein romantisch neugotischer Turmbau aus der ersten Hälfte des 19. Jh. bildet den südlichen Abschluss des Westflügels. In dieser Zeit wurde das Objekt zu einer künstlichen Ruine umgebaut.
Synagoge: Die jüdische Gemeinde ließ im Jahr 1888 anstelle des zu klein gewordenen alten Bethauses aus dem Jahr 1672 nach den Plänen des Wiener Architekten Max Fleischer eine neue große Synagoge erbauen, die auch durch eine würdig gestaltete Fassade entsprechend in Erscheinung trat und im Innenraum 417 Sitze aufzuweisen hatte (vier Längsschiffe für Männer, zwei Längsschiffe und ein Querschiff auf der Frauengalerie sowie ein Chor).
Bahnhofskapelle: 1856, neugotisch, Stiftung der Familie Liechtenstein.
Rochuskapelle
Evangelische Kirche, 1884.
„Bethaus der böhmischen Brüder“, 1929.
Statuen: hl. Florian am Kircheneingang, hl. Nepomuk an der Altenmarkter Brücke.
Wappen und Siegel:
Das Siegel zeigt einen goldenen gekrönten linksgewandten Löwen der einen silbernen Zinnenturm hält. Das Wappen, welches die Stadt im 19. Jahrhundert erhielt, übernahm dieses Bild. Der Wappenhintergrund wurde ursprünglich mit rot angegeben, erscheint in neueren Darstellungen jedoch auch blau.
Persönlichkeiten:
- Franz Josef Beranek (*8. August 1902; +11. August 1967 Gießen), Universitätsprofessor, Sprachforscher.
- Karel Berka (*4. Mai 1923), Philosoph unter anderem an deutschen und amerikanischen Universitäten.
- Rudolf Carl (*19. Juni 1899; 15. Jänner 1987 Graz), Schauspieler und Komiker.
- Hans Johann Dafinger (*5. Mai 1866, +19. Jänner 1952 Biedermannsdorf/NÖ), Universitätsprofessor an der TH Brünn, Eisenbahnkonstrukteur.
- Hugo Ditz (*14. Oktober 1876; +3. September 1942 Lodz), Universitätsprofessor TH Prag, Chemiker.
- Wilhelm Ellenbogen (*19. Juli 1863; +25. Februar 1951 New York), Arzt und Reichsratsabgeordneter, österreichischer Minister 1919/20, Sozialdemokrat.
- Maria Fischer (*4. September 1886; +2. März 1965 Wien), Malerin.
- Richard Goldreich (*18. November 1886; +22. Oktober 1939 Wien), Präsident der Telefondirektion in Wien.
- Ignaz von Kuffner (22. April 1822; 23. März Wien), Industrieller, Brauhaus- und Fabriksbesitzer.
- Julius Lieban(*19. Februar 1857; +1. Februar 1940 Berlin), Opernsänger.
- Robert Obsieger (*23. September 1884; +27. November 1958 Wien), Bildhauer, Kunstkeramik, Meisterklasse an Akademie für angewandte Kunst in Wien.
- Karl Petzina (*11. Jänner 1880; 30. November 1945 Feldsberg), Schriftsteller
- Franz Mauriz Schuster (*11. Jänner 1879; +13. Juli 1952 Wien), Universitätsprofessor Univ. Wien, klassische Philologie und Pädagogik.
- Karl Schwendt (*13. Oktober 1906; +10. Jänner 1971 Karlsruhe), Lyriker.
- Hans von Veyder-Malberg (*30. September 1886; †1. September 1966 München), Automobilpionier, Sportfahrer.
- Alfred Vogt (*12. August 1917; †12. Mai 2002 Villingen-Schwenningen), Segelflugzeugkonstrukteur.
heimatkundliche Literatur:
- Gustav Gregor: Lundenburg im Wandel der Zeiten. 1968
- Anton Kreuzer: Lundenburg – Geschichte einer südmährischen Grenzstadt. 1983
- Papírník, Miloš – Šuláková, L.: Bibliografie okresu Břeclav. 2002
- Školl, Jaroslav: Die Entwicklung der Bevölkerung im Bezirk Lundenburg in den Jahren 1938 – 1947. 1987
- Zimáková, Alena: Die Gebietsentwicklung des Bezirks Lundenburg nach dem Jahre 1850.
Weblinks:
- breclav.org/de Offizielle Seite der Stadt (deutsch)
- Wikipedia.org Beschreibung auf Wikipedia
- Inoffizielle Seite (tschechisch)
Genealogie:
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