Oberwisternitz
Tschechischer Name: Horní Věstonice
Fläche: 804 ha
Einwohner 1910: 770 in 181 Häusern (alle dt.), 1930: 738 in 194 Häusern (717 dt. Ew.), 2010: 432.
heutiger Verwaltungsbezirk: Břeclav (Lundenburg)
Matriken: seit 1640.
Grundbücher: seit 1779.
Lage:
Oberwisternitz liegt westlich des Maidenberges auf 200 m Höhe, und grenzt im Norden an Unterwisternitz (Dolní Věstonice), im Süden an Bergen (Perná), im Osten an Pollau (Pavlov) und im Westen an Untertannowitz (Dunajovice), sowie im Nordwesten an Muschau (Mušov).
Geschichte:
1312 gewährte der mährische Landestruchseß Wznata von Lomnitz dem Richter von „Wistanicz“, Holbrecht, anderthalb Hufe für die Gründung des Dorfes „Nova Wistanicz“ (schon um 1298 wurden Weingärten unterhalb der Maidenburg erwähnt). 1334 wurden die Liechtensteiner von König Johann mit der Maidenburg und den dazugehörigen Ländereien belehnt. Danach gehörte Oberwisternitz zur Herrschaft Nikolsburg (Mikulov). Aus „Neu-Wistanicz“ wurde später Oberwisternitz. 1414 zählte das Dorf nach dem Nikolsburger Urbar: 14 Ganzlahne, 11 Halblahne, 16 Hofstätten. Der „Lausenpeltz“ wird schon als Weingarten genannt. Zu Beginn des 15. Jh. ist eine Pfarre nachgewiesen.
1586 erhielt Oberwisternitz eine Bergrechtsordnung auf Grundlage der vorhandenen Weinbauregelung. Es war auch die Zeit der Reformation, in der sich im Ort Täufer ansiedelten. Diese wurden allerdings während des Dreißigjährigen Krieges wieder vertrieben.
1663 wurde der Ort von türkischen Heerscharen geplündert. Zwischen 1671 und 1680 starben 250 Menschen an der Pest.
1752 wurde das Bergbuch angelegt, in welchem alle Weingarten-Besitzer mit ihren Angaben vermerkt sind.
1767 wurde mit dem Bau der Ortskirche begonnen, die zwei Jahre später eingeweiht wurde (hl. Rosalia).
1787 wurde ein neuer Kataster angelegt: 12 Halblahne, 26 Viertellahne, 23 Achtellahne, 44 Kleinhäusler. 1805 und 1809 wurde Ober Wisternitz von französischen Truppen geplündert. Nach der Aufhebung der Grundherrschaft 1848 bildete Oberwisternitz eine Gemeinde im Bezirk Nikolsburg (Mikulov). Die Cholera raffte 1855 80 Bewohner dahin.
Am Dreifaltigkeitstag 1882 brach während der Messe ein Brand aus, der das halbe Dorf einäscherte.
Der Erste Weltkrieg kostete 29 Ober Wisternitzern das Leben. Der Druck der neuen tschechoslowakischen Regierung nach 1919 machte sich auch bei den tschechischen Einwohnern bemerkbar. So musste der tschechische Straßenräumer des Ortes seine Kinder auf die tschechische Schule nach Unterwisternitz schicken.
Bei der tschechoslowakischen Mobilmachung im September 1938 entzogen sich viele Männer durch Flucht in die umliegenden Wälder der Pollauer Berge. Während der NS-Herrschaft und des Zweiten Weltkrieges waren im Ort französische Kriegsgefangene und ukrainische Zwangsarbeiter interniert, die bei den Bauern arbeiten mussten. Dabei kam es auch zu Kontakten vor allem mit der weiblichen Bevölkerung, die von der Diktatur als „Verbotener Umgang“ verfolgt wurden. Eine junge Frau aus Oberwisternitz wurde deswegen denunziert, verhaftet und von einem NS-Sondergericht verurteilt. Sie starb im KZ Ravensbrück.
Im Herbst 1944 kamen Flüchtlinge aus dem Banat und aus Siebenbürgen. Im Krieg fielen 55 Oberwisternitzer.
Am 23. April besetzten russische Soldaten nach dem Abzug der Wehrmacht Oberwisternitz. Bei Weißstätten (Pasohlávky) kam es zu heftigen Kämpfen. Da die Thayabrücke gesprengt worden war, stauten sich russische Truppen in der Ortschaft, sodass ungefähr 8 000 Soldaten in der Ortschaft festsaßen. Dabei kam es nicht selten zu Übergriffen und Vergewaltigungen. Alle Einwohnerinnen unter 40 wurden zu Straßenreparaturen herangezogen. Während dieser Arbeiten wurde die neue Ponton-Brücke der Russen von deutscher Artillerie beschossen. Als die an der Brücke arbeitenden Frauen aus Panik fliehen wollten, wurden sie von den Russen mit Waffengewalt daran gehindert. Später mussten die Oberwisternitzerinnen für die Sowjets kochen, putzen und waschen. Erst nach fast zwei Wochen wurden sie entlassen. Im Mai marschierten die russischen Truppen ab. Vor nachrückenden Kolonnen flohen viele Einwohnerinnen immer wieder auf die Felder um sich zu verstecken.
Vertreibung der deutschen Bevölkerung 1945/46:
Anfang Juni übergaben die Russen die Verwaltung den tschechischen Milizen und den nationalen Ausschüssen („národní výbori“). Diese ließen Häuser beschlagnahmen und zwangen die deutschen Bewohner für sie zu arbeiten. Alle Männer, die in der Gemeinde führende Positionen inne bzw. der NSDAP angehört hatten wurden verhaftet und nach Nikolsburg (Mikulov) ins Gefängnis gebracht. Einer von ihnen starb infolge der dort erlittenen Misshandlungen.
Am 20.Juli 1945 wurde von einigen Tschechen im Gemeindesaal ein Fest veranstaltet. Dorthin wurden drei Männer vom „národní výbor“ (nationaler Ausschuss) aus Untertannowitz (Dolní Dunajovice) eingeladen. Laut Aussage eines Beteiligten hätten diese den Plan ausgeheckt im Saal eine Handgranate zur Explosion zu bringen um einen Vorwand zu haben, einige Deutsche als vermeintlich Schuldige zu erschießen. Es ist anzunehmen, dass auch Alkohol im Spiel war, jedenfalls kam es anscheinend durch Herumhantieren mit der Granate frühzeitig zur Explosion. Ein Mann und eine Frau waren sofort tot. Jener Mann, der danach von dem Plan erzählte, erlag ebenfalls später seinen Verletzungen.
Am 12. Oktober wurden die deutschen Ortsbewohner vertrieben wobei ein Teil zur Arbeit auf den Gutshof bei Groß-Meseritsch (Velké Meziříčí) gebracht und der Rest über Nikolsburg (Mikulov) nach Österreich abgeschoben wurde. In Österreich blieben 236 Personen und bauten sich ein neues Leben auf, während 333 nach Deutschland ausgewiesen wurden. Je zwei wanderten nach England und den USA aus.
Wirtschaft und Infrastruktur:
Landwirtschaft: Acker- Obst- und Weinbau prägten das Leben der Einwohner. Vor allem der Weinbau spielte hier eine besondere Rolle. Es wurden viele Sorten gezogen: Grüner Veltliner, Blaufränkisch, Riesling, Silvaner, Blauer Portugieser und andere. Neben Getreide wurden Rüben, Kartoffeln, Mais, Klee, Luzerne, Ölfrüchte, Tomaten, Gurken und Zwiebeln angebaut. Das günstige Klima war auch verantwortlich für die Verbreitung des Obstbaus, der sich in der reichen Ernte von Äpfel, Birnen, Kirschen, Pflaumen, Nüssen, Pfirsichen, Marillen und Weichseln manifestierte.
Gewerbe: Bis 1938 waren zwei Steinbrüche im Gemeindegebiet in Betrieb. So war der Transport des Schotters zu den Straßenbaustellen für viele Bauern eine wichtige Einnahme. Daneben gab es eine Kellerschank, Fremdenzimmer und das übliche Kleingewerbe. Hervorzuheben ist die Knopfmacherei und die Haarnetzerei, die beide in Hausarbeit betrieben wurden.
Einrichtungen: Gemeindesaal (diente auch als Ball- und Turnsaal sowie als Versammlungshalle), Armenhaus, Wasserleitung (1925) und Elektrifizierung (1929); Freiwillige Feuerwehr (1885), Raiffeisenkasse (1900), Milchgenossenschaft (1913) und Molkereigenossenschaft (1927).
Der Bau für die Volksschule von 1812 wurde 1870 zweiklassig erweitert. 1886 wurde ein neues Gebäude zweiklassig errichtet.
Kulturerbe:
Pfarrkirche der hl. Rosalia: Schöner spiegelgewölbter Bau von Maurermeister Rabl aus Znaim 1769 erbaut (Plan vermutlich von Bartholomäus Zinner). Der vorspringende Westturm ist durch einspringende Seitenteile mit Nischenstatuen verbunden. Hochaltar um 1770. Marienaltar Ende des 17. Jh. Kanzel um 1780. Renoviert wurde die Kirche 1853.
St. Florian in der Ortsstraße.
Der Pfarrhof stammt aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit Christus an der Martersäule um 1680.
Rosaliakapelle aus 1680.
verschiedene Kreuze und Marterln in der Umgebung („Schwedenkreuz“, „Preußenkreuz“).
Persönlichkeiten:
- Franz Kopetzky (*30. November 1842, +28. Februar 1901 Wien), Pädagoge und Fachschriftsteller.
heimatkundliche Literatur:
Fischer, Heinz: Oberwisternitz, ein Dorf im Laufe der Jahrhunderte, 1999.
Weblinks:
- Offizielle Gemeindeseite (in tschechischer Sprache)
- Beschreibung auf Wikipedia.org
Genealogie:
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