Unter -Tannowitz
Tschechischer Name: Dolní Dunajovice
Fläche: 1.818 ha
Einwohner 1910: 2.690 in 566 Häusern (2.689 dt. Ew.), 1930: 2.778 in 656 Häusern (2.676 dt. Ew.), 2010: 1.723.
heutiger Verwaltungsbezirk: Břeclav (Lundenburg)
Matriken: seit 1750.
Grundbücher: seit 1635.
Lage und Ortscharakter:
Im Westen liegen die „Tannowitzer Berge“ mit dem „Fuchsen-“ und dem „Hohen Sonnenberg“ (jeweils 284 m) als höchste Erhebungen. Unter-Tannowitz liegt auf 189 m Seehöhe nordnordwestlich von Nikolsburg (Mikulov) und südlich des Stausees Neumühl (Nové Mlýny).
Die Gemeindeflur (1988 ha) und das Dorf selbst (702 Häuser, 2786 Einwohner) zeigen alle Merkmale einer planmäßigen Gründung des 12. Jahrhunderts.
Geschichte:
In einer Urkunde des Klosters Oslawan von 1245 erscheint ein „Marquard de Donawicz“ als Zeuge, dies wird allgemein als erste urkundliche Nennung von Unter Tannowitz angesehen. 1249 kam Untertannowitz mit der Herrschaft Nikolsburg (Mikulov) an die Liechtensteiner. 1276 ist die Kirche „Dunayowicz“ unter denjenigen südmährischer Kirchen, deren Zehent um eine Mark Silber vom Kloster Alt- Bunzlau an das Frauenkloster Kanitz (Rosa Coeli) überging was bis zu dessen Auflösung 1526 der Fall war.
Nach schnell wechselnden Besitzern (Ziabka von Limberg, Albrecht Czernohorsky von Boskowitz) übernahm im Jahre 1574 Franz Graf Thurn-Valsassina Tannowitz und das damals öde Dorf Bratelsbrunn (Březí). Die Tannowitzer nützten die Geldnöte ihrer Grundherrschaft und errangen gegen Bezahlung wichtige Privilegien: Die Ablöse des Weinzehents, den freien Besitz und die Vererbbarkeit der Weingärten, die Aufhebung des Anfallrechtes, das Recht des Weinschanks für Gemeinde und Hauer, die Führung des Grundbuches, die Milderung des Waisenrechtes, die Robotablöse. 1580 erfolgte die
Markterhebung und ein der Ort erhielt ein neues Marktwappen.
Von 1542 bis 1591 war Tannowitz der Sitz einer großen Hutterergemeinde mit einem Ganzlahn neben dem Herrnhof und einem Brüderhof in der Kellergasse. An ihre Anwesenheit erinnerten noch 1945 die Huttergasse und einige Sagen.
Der Enkel des Franz von Thurn, Hans Jakob verkaufte im Jahre 1618 und das neubestiftete Bratelsbrunn (Březí) an den Gutsherrn von Dürnholz (Drnholec), Siegmund von Teuffenbach. Bis zur Aufhebung der Grundherrschaft 1848 blieb Tannowitz ein Bestandteil dieser Herrschaft. 1619 wurde Untertannowitz von kaiserlichen Truppen geplündert und eingeäschert. Dank der erhaltenen Privilegien und der klugen Förderung der Teuffenbach gelang in verblüffend kurzer Zeit der Wiederaufbau. Die Tannowitzer waren so wie die Teuffenbach zu dieser Zeit Protestanten. Der letzte Predikant Michael Krautundfleisch musste 1624 Ort und Land verlassen, Tannowitz blieb bis 1640 ohne Seelsorger, ihre Kinder wurden in Bergen getauft.
Am 27. September 1640 wurde Andreas Schierdt als erster katholischer Pfarrer in sein Amt eingeführt, jedoch schon am 01. Dezember 1641 durch Peregrin von Pflaumern ersetzt. Unter ihm wurde mit Erlaubnis Rudolfs von Teuffenbach die Pfarre Unter Tannowitz mit Bratelsbrunn (die beiden Orte waren immer eine Besitzereinheit) am 2. April 1642 neu bestiftet. 1673 zählte Untertannowitz zu den größten Bauerngemeinden Mährens (154 Häuser). Die Ganz- und Halblahner verschwanden, es gab nurmehr Viertellahner mit 10 – 12 Joch Äcker untrennbar mit dem Haus verbunden. Die Weingärten waren frei vererbbar und verkäuflich.
1702 wurde von Kaiser Leopold I. ein dritter Jahrmarkt gewährt.
In den Jahren 1787, 1791, 1808 und 1883 kam es zu Großbränden in Unter-Tannowitz. Aber auch Epidemien forderten ihren Tribut. So wütete in den Jahren von 1713 bis 1715 die Pest und 1831, 1835, 1850 und 1866 die Cholera und tötete viele Bewohner.
Später, 1878, starben noch 45 Kinder an Scharlach und Diphtherie.
Im Siebenjährigen Krieg (1759) wurde den Bauern empfohlen, Kartoffeln (damals als neue Kulturpflanze) anzubauen. Doch die ersten Hungersnöte 1770/71 und 1773 zwangen die Bauern schließlich zu diesem Schritt. 1771 wurde die erste Hausnummerierung im Ort vorgenommen. 1785 wurde der herrschaftliche Meierhof aufgelassen und dessen Grund an die Ansiedler verteilt.
1805 bzw. 1809 plünderten französische Truppen Unter-Tannowitz. 1866 mussten die Bewohner die Einquartierung preußischer Soldaten ertragen.
1911 und 1912 wurden die Haupt- und die Bahnhofstraße mit Klinkersteinen gepflastert.
Im Ersten Weltkrieg fielen 65 Männer aus dem Ort.
Der Zweite Weltkrieg forderte 202 Tote und Vermisste.
Vertreibung 1945/46:
Nach der Besetzung des Ortes durch die Sowjetarmee und dem Eintreffen der tschechischen „revolutionären Gardisten“ kam es zu Nachkriegsexzessen während derer insgesamt sechs Personen (drei Männer, drei Frauen) getötet wurden. Vor den Drangsalierungen flüchteten viele deutsche Untertannowitzer über die Grenze nach Österreich. Vier Einwohner begingen Selbstmord. Zu den Drangsalen gehörten die üblichen Schikanen (Armbinde mit einem „N“ für Němec (Deutsche/r), Ausgangssperren etc.). Wertsachen und Nahrungsmittel waren sowohl für die selbsternannten „Partisanen“ als auch für die sowjetischen Soldaten ein heiß begehrtes Gut. Am 8.Mai wurden rund vierzig ältere Männer zu einem Verhör gebracht. Sie kehrten erst Monate später aus der Sowjetunion zurück. Ab 1. Juli wurden erste Häuser und Höfe von ortsfremden tschechischen Familien übernommen. Am 26.September wurden ca. 100 Personen zur Zwangsarbeit verschleppt. Ab März 1946 wurden die noch im Ort verbliebenen deutschen Einwohner in mehreren Transporten bis Oktober nach Westdeutschland abgeschoben.
Von den nach Österreich geflüchteten bzw. vertriebenen Familien konnten 50 bleiben.
Wirtschaft und Infrastruktur:
Landwirtschaft: Die Haupteinnahmequelle der Bewohner bildeten Wein- und Gemüseanbau (500 ha Weingärten, 250-300 ha Gurken und Tomaten). Der Weinbau ergab einen Ertrag von ca. 10.000-25.000 hl. pro Jahr. Die täglichen Gurken- und Gemüsemärkte, der Wochenmarkt, die beiden Jahrmärkte, das Traubenfest und der Weinmarkt dienten dem Absatz der Produkte.
Gewerbe: Zum im Ort betriebenen Gewerbe zählten die Kunstmühle, die Gemeindeziegelei, ein Kalkofen, eine Dampfmolkerei sowie eine Bauholzhandlung. In Heimarbeit wurden Haarnetze und Seidenprodukte hergestellt. Zu den Handwerkern und Kleingewerbetreibenden zählten neben vielen anderen auch Friseure, ein Konditor und ein Dachdecker.
Für die medizinische Versorgung sorgten zwei Ärzte und ein Zahnarzt sowie eine Apotheke.
Einrichtungen: Rathaus (1880) mit Sparkasse, Volkshaus (1930, ab 1931 auch Lichtspieltheater), Poststation (1869, Neubau 1936), Elektrifizierung (1922), Freiwillige Feuerwehr (1878), Sparkasse, Raiffeisenkasse (1893), Landwirtschaftliche Verwertungsgenossenschaft (1915-1919), Wirtschaftsgemeinschaft Lagerhaus (1930), Kindergarten im Schulbau (1909).
Schulen: 1884, davor 1701, 1788 und 1811 (zweimal durch Brand zerstört), erste Schule bereits 1580 erwähnt. Bürgerschule ab 1912 (ab 1931 mit Schulbesuch aus Bergen/Perná, Oberwisternitz/Horní Věstonice und Muschau/Mušov). Für die tschechischen Kinder entstanden Schule und Kindergarten in den 1930er Jahren.
Kulturerbe:
Pfarrkirche St. Ägidius (Pfarre urkundl. 1183, ursprünglich St. Martin bzw. St. Georg geweiht). Spätgotisches Langhaus und rechteckiger Chor, 1582 im Renaissance-Stil umgebaut und erweitert, 1647 barock erneuert und St. Aegidius geweiht. 1764 Anbau einer Kapelle an den Chor. Die Kirche ist über 30 m lang und 9,5 m breit; sie besitzt außer dem Hochaltar vier Nebenaltäre; Kanzel und Beichtstühle u.a. von Ignaz Lengelacher. An der Evangelienseite den Marien- und Kreuzaltar, auf der Epistelseite den Johannes- und Rochusaltar. Der Hochaltar wurde 1804 von den Brünner Bildhauern Josef Reither und Johann Beschorner neu staffiert. Der Kreuzweg ist eine Wiener Arbeit aus 1781; die Kirche wurde mehrfach renoviert (1804, 1845 und 1849).
Pfarrhaus, 1762, nach Bränden 1791 und 1794 wiederhergestellt.
Friedhof aus dem 17. Jh. (1679/80 von der Kirche nach außen verlegt), 1686 mit Mauer umgeben und einem Karner versehen.
Statuen, Bildsäulen: Dreifaltigkeitssäule, Mariensäule, Cyrill und Method, Johannes von Nepomuk Ignaz Lengelacher, Florianistatue, Pestsäule auf dem Rochusberg.
Herrenhof, 1549, 1785 aufgelassen und zunächst als Schulhaus verwendet, später Gasthaus „zum Weißen Rössl“. Die von 1605 stammende geschnitzte und mit Bildern aus der griechischen Mythologie bemalte Holzdecke wurde 1912 an das Mährische Gewerbemuseum in Brünn verkauft.
Rathaus, 1880.
Pranger, 1581.
Siegel und Wappen:
Das älteste Siegel, welches Unter Tannowitz wahrscheinlich um Zuge der Markterhebung 1580 erhalten hatte, ist nur durch eine Kopie überliefert. Auf dieser ist ein Baum zwischen zwei Türmen zu sehen. Unterhalb des Baumes ist ein Rebmesser abgebildet. Das Wappen hingegen aus dem gleichen Jahr bezog sich auf die Herrscherfamilie Thurn und Valsassina, die einen Zinnenturm im Wappen trugen. Später erhielt Unter-Tannowitz ein Wappen, auf dem zwei grüne Tannen auf einem grünen Hügel zwischen zwei roten Zinnentürmen zeigte. Unterhalb der Tanne ist ein silbernes Rebmesser abgebildet.
Persönlichkeiten:
- Anton Friedl (*06. Juni 1789, +24. August 1861 Nikolsburg), Propst von Nikolsburg.
- Josef Freising (*17. September 1875, †17. September 1971 Esslingen am Neckar), Professor, Heimatforscher.
- Karl Gamperling, (*12. Dezember 1866; †14. Oktober 1934), Generaldirektor der öst. Nationalbank, Großvater des Bildhauers Gamperling.
- Franz Gerstenbrand (*06. September 1924 Hof/Nordmähren, aufgewachsen in Unter-Tannowitz), Neurologe.
- Hans Lederer (*20. Dezember 1914; †16. Februar 2007), Heimatforscher.
- Hieronymus Nießner (*12. Juni 1893, †19. November 1967 Eisenberg), Mundartdichter.
- Karl Renner, (*14. Dezember 1870; †31. Dezember 1950 in Wien), österreichischer Politiker (Sozialdemokrat), Staatskanzler und NR-Abgeordneter der Ersten Republik, erster Bundepräsident der Zweiten Republik.
- Josef Ringler (*29. Mai 1893; †19. November 1967 Eisenberg), Zeichner und Maler.
- Johann Zabel (*26. Jänner 1910; †30. Juli 1977 Wien), Theologe, Konsistorialrat, Generalvikar des Bischöflichen Generalvikariats Nikolsburg 1944/45, Schriftsteller und Begründer der Südmährerwallfahrten der Heimatvertriebenen nach Maria Dreieichen.
heimatkundliche Literatur:
- Freising, Josef: Heimatbuch der Marktgemeinde Untertannowitz, 1966.
- Unter-Tannowitz (Unter-Tannowitzer Hefte), herausgegeben von Franz Gamperling, verschiedene Jahrgänge.
Weblinks:
- Offizielle Gemeindeseite (tschechisch, deutsch in Vorbereitung)
- Beschreibung auf Wikipedia.org
Genealogie:
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