Unter Wisternitz
Tschechischer Name: Dolní Věstonice
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Fläche: 810 ha
Einwohner 1910: 771 in 159 Häusern (768 dt. Ew.), 1930: 688 in 168 Häusern (642 dt. Ew.), 2010: 298.
heutiger Verwaltungsbezirk: Břeclav (Lundenburg)
Matriken: seit 1579.
Grundbücher: seit 1662.
Lage:
Unterwisternitz liegt am Fuß der Pollauer Berge (Palava) und seit den 1980er Jahren direkt am Stausee Neumühl (Nové Mlýny) in 171 m Seehöhe. Nachbarorte sind Tracht (Strachotín) im Nordan am gegenüberliegenden Ufer des Stausees, Oberwisternitz (Horni Věstonice) im Südwesten und Pollau (Pavlov) im Südosten.
Geschichte:
Paläolithische Funde („Wisternitzer Venus“) bezeugen eine sehr frühe Besiedlung dieser Umgebung vor ca. 25-30.000 Jahren.
Die erste heute bekannte urkundliche Erwähnung von Unterwisternitz erfolgte 1312. Erneut wurde der Ort 1334 genannt, als er durch König Johann als „Niderwistanitz“ mit der Maidenburg als Herrschaftssitz an Hartneid von Liechtenstein kam. Später war Unterwisternitz durch diese auch Teil der Herrschaft Nikolsburg (Mikulov). 1400 wurde auch die Pfarre urkundlich genannt.
1460 wurde Unter-Wisternitz von König Georg von Podiebrad zum Markt erhoben.
Um 1536 wurden Täufer und Protestanten ansässig. Der Markt war inzwischen an die Familie Dietrichstein gekommen. Adam von Dietrichstein setzte 1575 wieder einen katholischen Pfarrer ein. Unter dem Jesuiten Cardaneus erfolgte die Rekatholisierung.
Zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges 1619 kam es bei Unterwisternitz zwischen katholisch-kaiserlichen und protestantisch-ständischen Truppen zu einem Gefecht. Der Ort wurde daraufhin auf Veranlassung des kaiserlichen Befehlshabers Dampierre angezündet. Auf der Peterswiese sollen mehr als 3.000 Gefallene gelegen haben.
Im Napoleonischen Krieg 1809 requirierten die einmarschierenden Franzosen große Mengen an Wein.
Im Frühjahr des Jahres 1945 rückte die Front des Zweiten Weltkrieges immer näher an die Ortschaft. Die Dorfbewohner wurden von den Wehrmachtskommandanten zu Schanzarbeiten herangezogen. Einige hoben selbst Schutzbunker außerhalb des Ortes aus, andere versteckten sich in Weinkellern. Am 14. April sprengten Wehrmachtssoldaten die Thayabrücke um den Vormarsch der sowjetischen Soldaten zu behindern. Während der Kampfhandlungen wurden viele Häuser des Ortes durch Artilleriefeuer zerstört. Am 23.April 1945 besetzen sowjetische Truppen schließlich die Ortschaft.
Vertreibung 1945/46:
Durch kurze Zeit später auftauchende tschechische „Revolutionsgardisten“ und Hausbesetzer wurden die deutschen Ortsbewohner gezwungen, ihre Häuser zu verlassen. Ein baufälliges Gasthaus diente als Sammellager. Die Erwachsenen wurden zu Zwangsarbeiten herangezogen, die Ernährung war sehr mangelhaft. Viele von den Älteren überlebten diese Entbehrungen nicht. Während der Nachkriegsexzesse wurden zwei Personen erschossen. Zwischen 15. März und 8. August 1946 wurden alle noch verbliebenen ehemaligen deutschen Bewohner nach Westdeutschland deportiert.
Die Hälfte der zuvor nach Österreich geflohenen oder vertriebenen Unterwisternitzer konnten in Österreich bleiben (Niederösterreich, Wien und Oberösterreich), während die Restlichen nach Deutschland (Baden-Württemberg und Bayern) abgeschoben wurden. Vier wanderten in andere europäische Staaten und eine Person in die USA aus. Acht Deutsche durften in Unterwisternitz bleiben.
Unterwisternitz liegt heute unmittelbar an dem in den späten 1970er Jahren durch Stauung der Thaya entstandenen Stausee Neumühl (Vodní nádrž Nové Mlýny).
Wirtschaft und Infrastruktur:
Landwirtschaft: Anbau von Getreide und Wein, Viehzucht (vor allem Rinder). Immerhin 303 ha der Gemeindefläche entfielen auf Wald.
Gewerbe: herrschaftliche Mühle (ab 1922 als Dampfmühle neu errichtet), Ziegelofen, herrschaftliches Brauhaus (1700, ab 1924 Molkerei), Betonwarenerzeugungen, Kleingewerbe.
Einrichtungen: Gemeindeamt (1849), Postamt (1868), Volksschule (1898), Forstamt (1890), Armenhaus, Gemeindemuseum (1935), Elektrifizierung (1927), Freiwillige Feuerwehr (1880), Molkereigenossenschaft (1924), Landwirtschaftliche Genossenschaft.
Kulturerbe:
Pfarrkirche hl. Michael: (Pfarre urkundl. um 1400). Einschiffige spätgotische Hallenkirche, 1582 erweitert; älterer westlicher sternrippengewölbter Teil des Langhauses, östlich anschließend der seitlich ausgeweitete barocke Teil mit dem halbkreisförmig geschlossenen Chor aus 1724. Mächtiger Westturm mit wehrhafter Brüstung auf Kragsteinen und zurücktretendem achtseitigem Pyramidenhelm. Innenausstattung hauptsächlich von Ignaz Lengelacher: 12 Apostelfiguren, St. Michael, der mit flammendem Schwert den Bösen vertreibt, ein Hochrelief des hl. Joh. v. Nepomuk, Papst Gregor d. Gr. als Figur auf dem Schalldeckel der Kanzel und gegenüber eine Marienstatue.
Pfarrhaus von 1850.
Bildsäulen: hl. Florian (Lengelacher) über dem Mühlentor, Marienstatue (nach 1700), hl. Joh. v. Nepomuk aus erster Hälfte des 18. Jh.
Bedeutsame archäologische Funde Seit 1922 finden Ausgrabungen in der Umgebung des Ortes statt. Dabei wurden bedeutende Funde vor allem aus dem Jungpaläolithikum (späte Altsteinzeit, Gravettien) gemacht. Am berühmtesten ist die „Venus von Wisternitz“, deren Alter auf 25-30.000 Jahre geschätzt wird. Weiters wurden Bestattungen, Tierfiguren aus gebranntem Löss („Hütte des Schamanen“) und die Überreste zweier Brennöfen gefunden. Durch die Grabungen wurde eine Besiedlung durch Mammutjäger in der jüngeren Altsteinzeit nachgewiesen. Außerdem wurden die Reste einer frühmittelalterlichen befestigten Anlage freigelegt.
Siegel und Wappen:
Das älteste Siegel ist nach 1490 entstanden. Dieses Siegel ist an einer Urkunde vom 20.August 1583 erhalten. Es hat einen Durchmesser von 24 mm und zeigt innerhalb der Umschrift „Sigillum:vnter:wistaniecz“ ein Schild. Darin ist eine Holzbrücke mit Sprossengeländer und zwei sich kreuzende Weintrauben abgebildet. Unter der Brücke schwimmt ein Fisch von links nach rechts.
Die Ortschaft führte auch ein Wappen, welches dem Siegel glich. Nur die Farbgebung ist nicht mehr feststellbar. Laut Überlieferung war es Blau und Silber (Silber auf blauem Schild). Zu finden ist auch die Abbildung von Gold auf rotem Schild.
heimatkundliche Literatur:
Oberleitner, Adalbert: Heimatbuch Unter-Wisternitz, 1967.
Weblinks:
- Offizielle Gemeindeseite (tschechisch)
- Beschreibung auf Wikipedia.org
Genealogie:
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